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Tanith's Geschichte

Ich mag nicht darüber sprechen, was mit mir geschah. Nur soviel, ich wurde in einem Kaninchenstall gehalten. Der Käfig wurde nie saubergemacht. Mein schönes weißes Fell konnte ich nur schwer sauber halten. Außerdem war das Essen schlecht und ich wurde krank. Irgendwann holten mich Menschen aus diesem Käfig. Sie brachten mich fort und ich wurde untersucht. Anschließend kam ich in einen Raum in dem schon sehr, sehr viele andere Katzen wohnten und ich hörte die Menschen sagen: "Sie wird wohl für den Rest Ihres Lebens hier bleiben. Alte und Kranke Katzen will doch keiner haben!" Ich verkroch mich vor meinen aggressiven Artgenossen auf einer Fensterbank. Zumindest war es hier warm, das Essen war gut und die Menschen halfen mir mein Fell wieder in Ordnung zu bringen. Es war also immer noch besser als dieser dreckige Käfig.

So verbrachte ich einige Wochen in diesem großen Raum. Es gab noch etwas, dass die Menschen "Auslauf" nannten, doch den nutzte ich selten. Ich saß auf meiner Fensterbank und sah im Laufe der Wochen Menschen kommen und gehen, genauso wie Katzen. Viele sahen auch mich an, sie fanden mich schön, auch wenn mein Fell noch immer nicht wieder ganz weiß war. Sobald sie aber von meinem Alter erfuhren, wollten sie mich nicht mehr. Meine Krankheit verschwiegen die Menschen vom Tierheim in der Hoffnung, dass mich doch jemand nahm, trotz meines Alters.

Eines Tages im Februar kam eine junge Frau rein. Sie sah sich alle Katzen an und ließ sich von dieser oder jener die Geschichten erzählen. Sie hockte sich mitten unter meine Artgenossen und verteilte Streicheleinheiten. Ganz mutige, vor allem die starken, großen Kater, drängelten sich immer wieder an sie. Sie lachte und schimpfte mit ihnen. Auch mich sah sie einige Male an. Dann stand sie auf und kam zu mir. Braune Menschenaugen sahen mich freundlich an. Dann streichelte sie mich. "Na du?" Fragte sie leise. Ich mochte ihre Stimme. Ich hörte, während ich die Streicheleinheiten genoss, wie sich die Menschen über mich unterhielten. Man erzählte der Frau, dass ich auf drei bis vier Jahre geschätzt wurde und das man mich aus einem Kaninchenstall befreit hatte. Wenigstens war das die Wahrheit. Ich hörte die Frau lachen. "Dieses Tier ist niemals noch so jung!" Meinte sie. Aus, dachte ich, die fällt darauf nicht rein. Ich hatte schon damit abgeschlossen, als ich sie sagen hörte. "Ich schätze niemand will sie aufgrund ihres Alters. Warum soll sie keine Chance bekommen. Ich nehme sie mit."

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Sie wollte mich. Sie streichelte mich noch mal und flüsterte mir zu: "Bald hol ich dich hieraus!" Einige Tage später war es dann soweit. Sie kamen zu zweit. Ein junges Mädchen begleitete die Frau. Ich wurde in einen Katzenkorb gesetzt und das Mädchen nahm mich auf den Schoß, während die Frau fuhr. Im Auto unterhielten sie sich über mich und ich erfuhr endlich den Namen der Frau, die mich aus dem Tierheim geholt hatte. Sie hieß Susanne und das Mädchen Stephanie.
"Wie willst du sie nennen?" Fragte Stephanie. Ich wusste sie meinte mich und ich war gespannt, welchen Namen Susanne mir geben würde. Ich staunte als ich sie antworten hörte: "Ihr Name ist Tanith!" Stephanie fand den Namen seltsam und fragte Susanne wie sie darauf käme. "Es ist ihr Name, sie hat ihn mir selbst gesagt!" Erklärte Susanne überzeugt. Stephanie musste lachen und ich war platt. Sie hatte es also gehört. Sie kannte meinen Namen. Susanne erklärte Stephanie, wie eine Katze einem ihren Namen mitteilte. "Man muss nur zuhören und irgendwann sagt dir die Katze schon wie sie heißt."

Ich war mir sicher, endlich ein richtiges Zuhause gefunden zu haben. Trotzdem blieb ich erst mal misstrauisch. Susanne und Stephanie stellten meinen Korb in der Wohnung ab und öffneten die Tür. "Wir werden sie erst mal in Ruhe lassen. Sie wird schon von selbst aus dem Korb kommen." Erklärte Susanne ihrer Freundin und dann ließen sie mich einfach stehen. Ich schnupperte, konnte aber nichts gefährliches oder ungewöhnliches riechen. Ich war neugierig, traute mich aber trotzdem nicht aus dem Korb. Erst als die beiden im Nebenzimmer waren schlich ich mich raus und an der Wand entlang hinter den Schrank. Das Zimmer war nicht groß und Susanne schien den Raum als Wohn- und Schlafzimmer zu nutzen. Ich schlich weiter zum Bett und dort fand ich das perfekte Versteck unter dem Nachtschrank. Hier fühlte ich mich einigermaßen sicher.
Susanne und Stephanie kamen aus dem Nebenraum. "Sie ist weg!" Hörte ich Stephanie aufgeregt rufen. Susanne meinte: "Entweder ist hinter dem Schrank, oder unterm Nachtschränkchen." Danach unterhielten die beiden sich über alles Mögliche, bis Stephanie aufbrach. Nicht ohne zu versprechen am nächsten Tag wiederzukommen.
Ich blieb wo ich war, auch als ich Essen roch. Erst in der Nacht, als Susanne tief schlief schlich ich los, um mein neues Zuhause zu erkunden. Viel gab es nicht zu sehen. Im Badezimmer stand das Katzenklo. Ich musste dringend. Anschließend lief ich in den Nebenraum, der sich als Küche entpuppte. Hier fand ich auch das Essen. Susanne hatte mir was zum knabbern und auch etwas aus der Dose hingestellt. Außerdem noch Wasser. Ich wurde also bestens versorgt. Das Essen war besser als im Tierheim. Ich fand auch einige Plätze, die schön kuschelig waren und ein breites Fensterbrett auf dem schon ein Kissen für mich lag. Schöne Plätze, doch als Susanne erwachte versteckte ich mich erst mal wieder unterm Nachtschrank.
"Guten Morgen, Tanith", rief sie, obwohl sie mich nicht sehen konnte. "Du hast also dein neues Heim erkundet und gefressen hast du auch was. Das ist ja schon mal gut." Danach hörte ich lange nichts von ihr. Als Stephanie kam, berichtete Susanne ihr das ich wohl Nachts unterwegs war. Am Abend dann kam Susanne zu meinem Versteck. Sie steckte ihre Hand unter den Nachtschrank und begann mich zu streicheln. Sie sprach mit mir. Ich genoss diese Zuwendung und antwortete mit lautem Schnurren.

Nach zwei Tagen fand ich, dass ich genug Verstecken gespielt hatte. Ich sprang aufs Bett und betrachtete Susanne in aller Ruhe bis sie aufwachte. Ich saß in Kopfhöhe direkt vor ihrem Gesicht und jagte ihr einen gewaltigen Schrecken ein, als sie die Augen aufschlug. Ich erschrak von ihrer heftigen Reaktion und verzog mich beleidigt wieder unter den Nachtschrank. Sie sprach sofort mit mir und ich beruhigte mich langsam. Schüchtern kam ich dann wieder raus. "Du brauchst hier keine Angst zu haben. Ich habe mich nur eben erschrocken. Ich bin noch nie so aufgewacht." Sie lachte und meinte: "Daran muss ich mich wohl erst gewöhnen." Der Meinung war ich auch und probierte es am nächsten Morgen gleich noch mal. Diesmal erschrak Susanne nicht, sondern begrüßte mich mit zärtlichen Streicheleinheiten.

Ich gewöhnte mich an mein neues Heim und durfte bald auch raus. Susanne war froh, als ich nach dem ersten Spaziergang wieder erschien. Es war eine schöne ruhige Wohngegend und ich brauchte mir keine Sorgen wegen Autos oder Hunden zu machen. Nur der Nachbar war nicht nett. Ich verzog mich immer sofort, wenn er sich blicken ließ.

Einige Tage später musste ich zum Tierarzt. Es war eine Ärztin und wirklich nett. Ich bekam eine Spritze und wurde müde. Als ich wieder aufwachte war ich zuhause. Ich wunderte mich über die Schmerzen am Bauch und über diesen seltsamen Trichter um meinen Hals. Susanne beruhigte mich und erklärte mir, dass ich untersucht worden bin und das einiges mit mir nicht stimmte. "Du bist viel älter, als ich gedacht habe und Nierenkrank bist du auch, meine Süße. Die Tierärztin hat mich sogar gefragt, ob sie dich einschläfern soll, aber ich will das nicht. Noch scheint es dir ja gut zu gehen. Wenn wir auf deine Ernährung achten, dann wirst du mit deinen Nieren auch nicht so arge Schwierigkeiten haben." Sie musste weinen und ich schnurrte um sie zu beruhigen und auch mich selbst. Ich wusste, dass ich krank war, aber noch wollte ich nicht sterben. "Sie gibt dir nur noch ein paar Monate," verriet mir Susanne. Jetzt wusste ich warum sie weinte. Ein paar Monate nur, dachte ich, das wollen wir doch mal sehen.

Susanne achtete fortan auf meine Ernährung. Ich musste mich nicht mehr so oft übergeben und mein Fell wurde wieder richtig weiß. Es ging mir supergut bis mich der Nachbar, den ich nicht mochte, auf seinem Grundstück erwischte. Er schlug mit einem Spaten nach mir und traf mich am rechten Bein. Ich konnte fliehen, aber ich hatte höllische Schmerzen. So stark, dass ich sogar Susanne kratzte, als ich auf drei Beinen nach Hause kam. Susanne war nicht böse, aber sie machte sich große Sorgen. Wir fuhren wieder zum Tierarzt und wieder bekam ich eine Spritze. Als ich zu Haus erwachte, war das kaputte Bein fest in einen harten Verband gewickelt. Susanne nannte es Gips. Ich hasste das Ding, konnte aber nicht viel dagegen tun. Ich fand mich schließlich damit ab und entdeckte, dass ich mich mit etwas Geschick recht gut damit bewegen konnte.

Irgendwann verheilen alle Wunden. Aber ich bekam noch eine Flohallergie dazu und wieder musste ich ständig zu Tierarzt. Ansonsten war ich recht zufrieden mit meinem Leben.

Eines Tages packte Susanne all ihre Habe zusammen und mich in den Transportkorb. Wir zogen in eine neue Wohnung. Sie war recht gemütlich und lag in dem Haus von Susannes Eltern. Genauer gesagt darüber. Die Eltern von Susanne hatten einen Hund und sie hasste Katzen. Susanne warnte mich und erklärte, dass ich über das Dach rauskönnte. Ich müsste nur den Garten der Eltern meiden. Der gehöre Dina. So hieß der Hund. Einmal hörte ich nicht auf Susanne und Dina trieb mich in die Enge. Wenn sie nicht so gut auf Susanne gehört hätte, dann hätte es einen bösen Kampf gegeben, doch Dina reagierte sofort auf Susanne, als diese auftauchte und mich in der gefährlichen Situation antraf. Sie schimpfte mit mir und jagte mich aus Dinas Garten. Von da an begnügte ich mich damit vom Dach aus den Hund zu ärgern. Susanne fand das gemein von mir, aber sie tat nichts dagegen. Die neue Wohngegend war nicht so schön wie die letzte, aber ich gewöhnte mich daran.

Onyx

Eines Tages kam Susanne mit einem fünf Wochen alten Kater nach Hause. Horror pur für so eine alte Dame wie mich. Sie erzählte mir, dass man den Kleinen im Alter von vier Wochen ausgesetzt hatte. Sie nannte ihn Onyx, nach dem schwarzen Mineral und passend zu seiner Fellfarbe. Er war ja auch noch viel zu klein um einen Namen zu haben.
Ich hatte das Nachsehen, denn dieses Baby - er wurde kaum Onyx genannt - brauchte Susannes ganze Aufmerksamkeit. Sie setzte ihn mir doch tatsächlich vor die Nase. Als er mich frech ansah, habe ich ihm erst mal was hinter die Ohren gegeben. Susanne fand das gar nicht witzig, doch ich hatte meine Meinung damit klargemacht und sie respektierte es. Wenn Susanne tagsüber am arbeiten war, kümmerte sich Stephanie darum, dass der Kleine gefüttert wurde. Er brauchte mehrmals am Tag etwas, weil er Untergewicht hatte. Onyx blieb mir nach der Ohrfeige vom Leib. Zum Glück schlief das kleine Monster sehr viel. So hatte Susanne hin und wieder doch noch Zeit für mich.

Auch wenn ich den kleinen Nervbolzen nicht mochte, so tat es mir doch leid, als er sehr krank wurde. Susanne machte sich große Sorgen. Onyx lag nach seinem Tierarztbesuch nur noch auf Susannes Bett und schlief. Wir dachten schon er schafft es nicht. Sogar mir wurde ein wenig mulmig. Ich ging zu ihm und schnupperte an ihm, doch er rührte sich nicht. Ich weiß nicht, was der Tierarzt mit ihm gemacht hatte, aber am nächsten Morgen sah ich das kleine Monster doch tatsächlich an MEINER Schüssel. Ich war nicht mal böse. Vor allem, weil Susanne Luftsprünge machte. Onyx war noch öfter krank, doch nie mehr so schlimm.

Nur mal so zwischendurch: Laut Prognose der Tierärztin dürfte ich nicht mehr am Leben sein.
Onyx wurde erwachsen und ich hatte gelernt, mir einfach zu holen was ich brauche. Immer wenn ich Bock auf Streicheleinheiten hatte, dann zeigte ich es sehr deutlich. Susanne wusste sehr wohl, dass ich einige Zeit zu kurz gekommen war und hatte ein schlechtes Gewissen.
Onyx war jetzt ein halbes Jahr bei uns und ich hatte mich gut an ihn gewöhnt. Er wusste genau wann er mir aus dem Weg zu gehen hatte und wann ich ihn tolerierte. Wir führten ein ruhiges Leben, bis Susanne sich so mit ihrem Vater stritt, dass sie beschloss wieder auszuziehen. Schon einen Monat später hatten wir eine neue Wohnung. Sie war viel größer als unsere bisherigen Behausungen und jede Menge Gärten in der Nähe zum Rumstöbern.

Die nächsten drei Jahre verliefen relativ ruhig. Wie gesagt sollte ich schon lange nicht mehr leben. Ich bekam eine Bronchitis und irgendwann eine Herzinsuffizienz. Meine Nieren vertrugen die Medikamente nicht besonders gut, daher stieg Susanne auf alternative Heilmittel um. Es war nicht immer einfach, doch ich fraß, putzte mich und schlief viel. Letzteres aufgrund meines Alters.

Susanne bekam einen Umschulungsplatz in einer 70 Kilometer entfernten Stadt. Also war mal wieder ein Umzug angesagt und ich muss gestehen, ich werde echt zu alt für diesen Sch.....
Zum Glück hatte Susanne wieder eine Wohnung gewählt, bei der wir raus konnten. Wir behielten auch die Wohnung in unserer Heimatstadt. So fuhren wir alle paar Wochen mal dorthin. Manchmal wunderten sich die Leute, denn es heißt ja, dass Katzen an einen Ort gebunden sind. Für mich und Onyx gilt das wohl nicht. Besonders nicht für mich, denn ich bin ja schon sehr oft umgezogen.

Nun, auch diese zwei Jahre gingen schnell vorbei. Susanne, Onyx und ich zogen wieder ganz in unsere Heimatstadt. Susanne hatte jetzt keine Arbeit mehr und kam auf die saublöde Idee sich einen Hund zuzulegen. Ich war nicht begeistert und Onyx noch viel weniger. Er, der sich von einem kleinen mickrigen Winzling zu einem kräftigen, schwarzen Kater mit langen Krallen entwickelt hatte, überzeugte Susanne davon, den Hund wieder zurückzugeben. Er legte sich nämlich mit ihm an. Es störte uns nicht, wenn Susannes Freundin Anja mit ihren Hunden zu Besuch war, oder draußen die Hunde der Nachbarn liefen, aber einen Hund in unseren vier Wänden konnten und wollten wir nicht tolerieren.

Es dauerte keine Woche und Susanne kam mit der nächsten Überraschung.

Penelope

Zuerst sahen wir, Onyx und ich, wie Susanne den Katzenkorb holte. Wir fragten uns schon, wer hier wieder zum Tierarzt musste. Dann, oh Überraschung, verschwand Susanne mit dem Korb und ohne einen von uns. "Was soll denn das nun?" Fragte Onyx. "Wo will denn Mama mit dem Korb hin?" Er nannte Susanne Mama. Ich verstand es, denn er hatte seine richtige Mutter ja früh verloren. Sie nannte ihn ja auch Baby. Manchmal konnte er sich auch wie eines benehmen, auch wenn ich ihn seit der Geschichte mit dem Hund in einem ganz neuem Licht sah. "Nun ja," sinnierte ich. "Ein Katzenkorb ist für eine Katze. Stimmt's?" Fragte ich. "Stimmt!" Bestätigte mir Onyx. "Sie könnte den Korb verleihen." Meinte ich. "Könnte sie!" Bestätigte Onyx. "Oder....." "Oder was?" Fragte der neugierige Schwarze. Ich sah ihn an. "Susanne hat keine Arbeit. Sie liebt Hunde, aber wir lassen hier keine Hunde zu. Also....." Onyx wurde ungeduldig. "Also was? Fragte er und knurrte. "Rück endlich raus mit der Sprache!" Wenn Katzen grinsen könnten, dann hätte ich das jetzt wohl getan. "Sie bringt eine Katze mit!" Erklärte ich überzeugt. "Du spinnst doch!" Knurrte er und ich meinte ruhig: "Warts ab."

Wir warteten und einige Stunden später tauchte Susanne wieder auf. Onyx rannte gespannt zur Tür und dann hörte ich ihn nur noch knurren. Oh je, dachte ich, sie hat's getan. Ein fremde Stimme knurrte zurück. "Beruhigt euch!" hörte ich Susanne sagen. Sie brachte den Katzenkorb mit dem Neuankömmling ins Arbeitszimmer. Irgendwie war ich neugierig, aber ich blieb auf meinem Kratzbaum sitzen und tat so, als würde mich das alles nicht interessieren. Onyx kam rein. Sein Fell war gesträubt. "Eine Katze!" Knurrte er. "Du hattest recht. Sie schleppt uns tatsächlich eine Katze an." Nun war ich auch sauer. Hätte es nicht ein Kater sein können? Nein, sie brachte eine Katze mit. "Ganz schön frech, die Kleine!" meinte Onyx. "Wie die mich angemacht hat." Ich wusste, dass die Neue erst mal im Arbeitszimmer bleiben würde. Ich streckte mich und machte es mir gemütlich. "Warten wir ab!"

Susanne kümmerte sich um uns. Wir bekamen Streicheleinheiten und sie erzählte und von der Neuen. "Ihr werdet euch schon an sie gewöhnen. Sie ist eine ganz Süße und gerade ein Jahr alt. Sie musste Ihr Zuhause verlassen, weil sie die kleinen Kinder gekratzt hat und ihre Besitzerin ist schon wieder schwanger." Mich tangierte das nicht. Die Kleine wird schon ihre Gründe gehabt haben. Wir kratzen schließlich nur, wenn wir einen Grund haben. Susanne erzählte, dass die Neue einen Bruder hatte. Der durfte dableiben.

Susanne saß am Abend im Arbeitszimmer. Sie sprach mit der Neuen und wir hörten sie schnurren. "Die macht sich aber schnell an Mama ran." Meinte Onyx missgestimmt. Ich war derselben Meinung. Und dann nannte die Kleine Susanne auch noch ihren Namen - Penelope - Hochtrabender ging es nicht mehr.

Penelope hatte es mit mir wirklich nicht leicht. Ich ging ständig auf sie los. Zuletzt war Susanne so wütend, dass sie uns einige Tage gemeinsam in ein Zimmer sperrte. Dort machte ich mit Penelope dann ab, dass wir uns zumindestens tolerierten. Als Susanne dann sah, dass die Kleine sich nicht mehr verschreckt vor mir versteckte und ich sie nicht ständig angriff, lies sie uns wieder raus. Manchmal gefiel es mir dann aber doch noch sie durch die Wohnung zu jagen bis sie sich unter einem Schrank verkroch. Susanne schimpfte dann immer mit mir, aber richtig böse wurde sie nicht. Ich dachte ja, Onyx wäre auf meiner Seite, aber er war von Penelope hingerissen, wie ich bemerken musste und sie umgarnte ihn und biederte sich so an, dass er sich geschmeichelt fühlte. Er fand auch raus, dass man toll mit ihr raufen konnte. Sie war verspielt und ständig maunzte sie hinter Susanne her. Manchmal nervte sie das so sehr, dass sie Penelope rausjagte.

Sogar ich musste es Penelope lassen, dass sie außergewöhnlich hübsch war. Sie hatte große grüne Augen und ihr Fell hatte eine auffällige Musterung. Mausgrau, eines ihrer Eltern musste wohl eine Kartäuser gewesen sein, und cremegetigert. Pfoten und Brust waren weiß. Als sie zu uns gekommen war, war sie viel zu dünn und das Fell wirkte etwas struppig. Unter Susannes Pflege und dem guten Essen nahm sie bald zu und ihr Fell begann zu glänzen.

Es kam wie es kommen musste. Ich bin mit ihr vier Mal umgezogen und wir zogen wieder um, weil unsere Wohnung immer feuchter wurde. Und Susanne den Keller nicht mehr gebrauchen konnte.
Ab jetzt sollten wir Wohnungskatzen sein. Das lag daran, dass man versucht hatte Onyx zu vergiften und an der Hauptverkehrsstraße, die nicht allzu weit weg war. Susanne hatte Angst um uns. Die beiden Kleinen waren ihr zu zutraulich. Ich lies mich nicht von Fremden anfassen. Ich hatte gelernt, wozu Menschen fähig sind. Aber Onyx und Penelope hatten nie schlechte Erfahrungen gemacht.

Susanne wollte nicht, dass wir nur in der Wohnung hockten. Sie spannte ein Netz um unsere Terrasse und machte sie für uns ausbruchssicher. Onyx fand das nicht witzig, doch was er auch versuchte, er kam nicht raus. Heute haben wir uns alle daran gewöhnt und wir konnten feststellen, dass wir hier sicher sind. Wir können zwar nicht raus, aber es kann auch niemand rein. Wie zum Beispiel der junge Hund, der auf uns losgehen wollte. Er ist voll ins Netz gerannt, als er uns Katzen sah.

Susanne hat uns versprochen, dass die nächste Wohnung wieder so ruhig liegt, dass wir frei laufen können. Will sie denn schon wieder umziehen? Ich bin einfach zu alt für diesen Sch....
Ich fühle mich hier wohl und sicher. Für mich muss sich nichts ändern.

Ich lebe jetzt seit acht Jahren mit Susanne zusammen und bin mittlerweile taub. Meine Augen sind auch nicht mehr die Besten. Ich schaffe es nicht mehr mein Fell ganz in Ordnung zu halten, doch Susanne hilft mir. Man schätzt mich jetzt auf 18 Jahre. Es gibt noch ältere, aber haben die auch so viel gesehen wie ich?

Wie gesagt, ich sollte längst nicht mehr leben.

Juli 2003

Ich damit oft rechne, dass ich eines Morgens aufwache und sie lebt nicht mehr. Eigentlich seit Jahren schon. Diese Kraft und diesen Lebenswillen findet man auch unter Tieren nur selten. Ich habe mir an Tanith ein Beispiel genommen. Ich werde nie aufgeben, was auch passiert.
Ich hab dich lieb, Tanith und bin dir sehr, sehr dankbar.

Deine Susanne

Danke an Susanne (Juli 2003)