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Paulchen 1983 / Karlchen 1985
Geträumt hatte ich schon lange von ihm - einem rotgestromten Kater.
Verliebt hatte ich mich in so einen Typen in den USA - nachdem ich im Zeichentrickfilm " Aristocats " den roten Straßenkater " Abraham de Lacey" -Guiseppe O'Casey - Thomas O' Maley" gesehen hatte.
Allerdings war der süße Ami eine " Straßenkatze ", schlank mit einem dreieckigen Kopf, ähnlich der ägyptischen Ur-Mau.
Er erschien jeden Abend zum Sonnenuntergang, holte sich Futter ab und konnte garnicht genug bekommen, wenn es ans Schmusen ging.
Er erzählte mir sein ganzes Katzenleben, das aber so schlecht garnicht sein konnte - so wie er aussah.

Eine richtige Annahme, wie sich bald herausstellte.
Dieser süße Charmeur, dem ich erlegen war, hatte nämlich ein Zuhause und spielte nur den "armen, ewig hungrigen und deshalb so bedauernswerten" Kater.

Seine Menschen bestätigten mir, dass er über ausgezeichnete Fähigkeiten zu schauspielern verfügte.
Es war ein Schicksalsjahr in puncto " Katze".
Der kleine Ami Namens " Ginger" (deutsch Ingwer) war wie ein Trostpflaster.
Hatte ich doch meinen Kater " Paulchen" in sehr schlechtem Zustand in Berlin zurückgelassen.
Ein Eckzahn sollte gezogen werden, weil abgebrochen.

Unsere Tierärztin hatte es aber nicht vollbracht, diesen zu entfernen.
"Paulchen" erholte sich aber nicht von der Narkose.
Er taumelte tagelang wie betrunken umher und die Ärztin verordnete Kreislauftropfen.

Wie sich später herausstellte, ein tödlicher Fehler ihrerseits.
Er fraß nicht, ich ernährte ihn vier Wochen mit einer Flüssignahrung.
Meine Mutti und eine gute Freundin versprachen mir, ihn während meines Urlaubes zu versorgen und so flog ich über den " Teich".
In zahlreichen Telefonaten wurde mir versichert, es ginge " Paulchen" besser.
Meine Skepsis und Sorge war groß, aber ich wollte glauben was sie mir sagten.

Mein kleiner Ami tröstete mich vier Wochen.
Ich verdrängte die Sorgen, aber sie waren da.

Traurige Gewissheit bei meiner Rückkehr: nachdem die Tierärztin sich als unfähig erwiesen hatte, suchte meine Freundin einen anderen Tierarzt, der ihr größeres Vetrauen hatte, auf.
Er stellte binnen zehn Minuten die traurige Diagnose:
Leukose in einem nicht mehr therapierbaren Stadium.

Mühsam erhielt man den Kater bis zu meiner Heimkehr am Leben.
Vier Stunden nach meiner Ankunft ließ ich ihn einschläfern. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er laut Aussage des Tierarztes keine Schmerzen und Qualen, er war nur schwach und wurde immer schwächer.
Da Leukose eine ansteckende Krankheit ist, fürchtete ich um meine anderen beiden Stubentiger. Eine Blutuntersuchung ließ dicke Steine vom Herzen purzeln: beide waren gesund!

Paulchen ging am 31.Juli 1983 in den Katzenhimmel.

Anfang November 1985:
Im Parkhaus "stand" die Anlage, die 24 PKW im Fahrstuhlsystem beförderte.
Hausmeister, betrunken und auch sonst mangels technischem Wissens, hilflos.
Vor Jahren, unter der Regie eines anderen Hausmeisters, hatte meine bessere Hälfte sich während dessen Urlaubszeiten der Parkanlage angenommen und war mit der Technik vertraut.
Was lag näher, als ihn zu "alarmieren".
Es war ein Sauwetter und der Weg nach Hause - na ja, den wollte ich mir angesichts dieser Tatsache sparen.
Also wollte ich aus der Wohnung des Hausmeisters telefonieren.
Seine Frau öffnete die Tür.
Eine große, rote Kätzin lag malerisch hingeräkelt im Flur.

Mein Herz schlug. "Sie haben eine Katze"?
"Eine - nee, nen ganzen Wurf"! War die Antwort und die Hand wies in eine dunkle Ecke der Diele.
Dort stand ein halbrundes Hundekörbchen, in dem eine zierliche, getigerte Katze lag.
Sie entbot mir ein freundliches "MIAU", schnurrte und blinzelte mich an.
Ganz entgegen aller Vernunft - so etwas tut man nicht - griff ich spontan das erste Katzenkind.
Nachdem ich vier piepsende Babys begutachtet hatte, drehte sich die Katze ein wenig, schnurrte kräftig, maunzte, hob vorsichtig ein Hinterpfote und da lag ein Fünftes!

Mein Herz blieb fast stehen: ein rotes, winziges Katzenkind!
Es hob das Köpfchen, streckte seine winzigen Vorderpfötchen und piepste mich an.
Mit zitternden Händen hob ich es vor mein Gesicht. Die Berührung seiner Pfötchen an meiner Nase rief Schauer in mir hervor!

Das war "Er": mein Traumkater - zum Greifen nah, aber gleichzeitig wußte ich,- keine Chance - der zweite Mensch in meinem Haushalt spielt nicht mit!
Als ich ihm den Roten vorstellte, -denn ich schaffte es immerhin ihn nicht nur ins Parkhaus, sondern auch in die hausmeisterliche Wohnung zu locken-, brummte er nur vor sich hin.
Das ging bis Ende November so weiter, so bald ich das Thema Kater ansprach.
In gewissen Abständen besuchte ich die Katzenfamilie und meine Liebe zu dem Roten wurde nicht geringer. Unwissentlich kam mir der Hausmeister zu Hilfe, indem er ständig meinen Mann fragte, ob wir denn nun das Katerchen haben wollten.
So redete er meine bessere Hälfte "mürbe".
Anfang Dezember kam er nämlich nach Hause und sagte:
"Der Hausmeister hat mich schon wieder wegen des Katers genervt"! Und etwas muffig setzte er hinzu "Willste ihn denn haben"?
Na, das war vielleicht'ne Frage! So schnell, wie ich zum Telefonhörer griff, um zuzusagen, konnte er gar nicht gucken!

Am 21. Dezember hielt "Karlchen" Einzug!
7 Wochen alt, kess aber ungeheuer liebevoll und etwas untergewichtig. Die ersten Tage und Nächte verbrachte er an meinem Busen schlummernd.
Damit er nicht rausfiel, band ich mir eine Kordel um den Oberbauch und in den so enstandenen "Beutel" meines Pullovers pennte er süß und selig seinen Mahlzeiten entgegen.
Wurde er wach, hopste er,- alle vier Pfoten in der Luft- durch die Riesenwohnung unter ausstoßen wildester Laute.

Mein "Katzenprofessor" Herkules, damals 12Jahre, sah sich den Irrwisch geraume Zeit an, dann aber begann er den Roten zu erziehen.
Liebevoll, aber ab und an - wenn's zu turbulent wurde - hagelte es Backpfeifen.
Er bedrohte ihn nicht, legte nicht die Ohren an oder fauchte, nein - rief ihn nur zur Ordnung, indem er ihm ein paar hinter die Öhrchen gab.
Er erzog Karlchen, wie er es mit Einigen vor ihm getan hatte und ich hatte keine Probleme.

Sieben Jahre begleitete er den Roten.
Im stolzen Alter von fast 19Jahren entschwand er ganz still in den Katzenhimmel.
Sein Ziehsohn suchte ihn lange Zeit und zeigte uns, wer sein Lehrer war:
Wir entdeckten immer mehr "Ticks" an ihm, die auch Herkules hatte.

Karlchen wuchs, nahm an Gewicht erheblich zu, - und bestand nach wie vor darauf, an und auf mir zu lagern und rumgeschleppt zu werden.
Das bringt bisweilen erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Ich weiß, woher die blauen Flecken auf Bauch und Busen herkommen, aber erklären sie das mal einem Arzt!
Die anfängliche Rumschlepperei hat zu einer solchen Liebe seinerseits geführt, daß ich nicht einmal die Toilette ohne sein Beisein aufsuchen darf.
Sowie ich mich niederlasse, springt er auf meinen Schoß und schmachtet mich an.
Sanft setze ich in runter, aber das klappt nicht. Laut protestierend nimmt er wieder Platz.

2. Teil der Komödie:
Ich setze ihn auf den Rand der Badewanne. Eine Drehung, ein kurzer Sprung - Position erfolgreich zurückerobert! Unsere Kämpfe enden meist damit, das Karlchen etwas eingeschnappt ist.
Dann liegt er unwillig maunzend in der Wanne.
Da hilft dann nur: "Purzelbaum spielen".
Am schrägen Rand der Wanne muß ich ihn kopfüber runterrutschen lassen. Da schnurrt er voller Wonne!
Anschließend rennt er übermütig Zick-Zack durch die Wohnung unter absingen wildester Katzenkampflieder.

Das fasst seine nervöse und ängstliche Gefährtin Katrin'chen als offene Kriegserklärung auf, beginnt zu knurren wie ein Hund und geht im Zeitlupentempo - rückwärts!
Sie hat ein - uns unbekanntes - Vorleben, das ihr offenbar nicht erlaubte fröhlich und ausgelassen zu sein.

Sie ist die einzige Katze, die ich kenne, die nicht Spielen kann!
Mit kugelrunden, ängstlichen Augen schaut sie verständnislos, wenn Karl'chen spielt und tobt.

Karl'chen läßt sich davon natürlich nicht beeindrucken.
Als hätte er eine Rakete am Hinterteil, zischt er um die Ecken, verfolgt von unsichtbaren Katzendämonen.

Im Gegensatz zu seinem Vorbild Herkules vermeidet er es aber in der am Ende des einen Dielenganges liegenden Küche zu landen.
Herkules spielte nämlich früher in seiner Eigenschaft als "Jäger" dieses Spiel mit ihm und es endete stets damit, daß Herkules auf dem glatten Küchenboden keinen Halt fand und 16 geballte Pfund Katze gegen den Kühlschrank knallten.
Es scheint aber nie weh getan zu haben, wiederholten sich diese Jagden doch fast allabendlich.

Die zwei tobten manches Mal so heftig, daß man es in der unter uns liegenden Wohnung deutlich wahrnahm.
Glück nur, das dort meine Eltern wohnten!
Selbst getestet, hörte es sich wirklich an, als würde eine Horde von Kindern durch unsere Wohnung rennen.

Elf Jahre sind seit Karl'chens Einzug vergangen.
Seine spontane Liebe hat nicht nachgelassen.
Noch nie (!) hat er gebissen oder gekratzt - ehrlich!
Ich kann nicht sagen, Karl'chen sei mir der Liebste meiner Katzen und Kater, aber er ist anders als die Anderen waren und sind.
Er gibt so unendlich viel Liebe und spielt in traurigen Stunden den Clown.
Sanft streicheln seine Pfötchen morgens mein Gesicht, bis ich richtig wach bin; sollte das nicht ausreichen, um mich aus Morpheus Armen zu reißen, stopft er mir die Pfoten in den Mund, nicht ohne sich vorher wie ein Sandsack auf mich plumpsen zu lassen.

Er ist einfach etwas Besonderes, vielleicht weil er meinen Traum erfüllt hat.
Und er war die erste Katze, die "erwünscht" in den Haushalt aufgenommen wurde, die anderen Drei waren "Notaufnahmen".
Vom Schicksal seiner vier Geschwister weiß ich nicht allzuviel.

Zwei hatte ich im Kollegenkreis vermittelt. Eine Katze wurde sehr jung "Mama", dann aber bald vom Auto überfahren.
Ein Kater verschwand spurlos und die beiden Anderen sind, so mir bekannt, auch recht jung in den Katzenhimmel gekommen.

Eines aber weiß ich: Auf Karl'chen soll'n die da oben noch'ne Weile warten - so schnell trennen wir uns nicht!

Herzlichen Dank Babsi!