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Die Leiden der Büchsenöffner
Auszug aus dem Tagebuch einer Katzenmamsel

20.02.03 Sybille an Katrin

Liebe Katrin,

vielen Dank für deine Zeilen, habe Herzklopfen, wie immer seit meinem Umzug, beruhen sie auf Wiedersehensfreude. Also kurz, ich bin ohne "Mister Ich bin so wunderbar" umgezogen, diesmal nach Friedenau. Die Katzen sind sehr glücklich.
Wir wohnen jetzt Offenbacher Straße, drei große Zimmer, zwei Balkone, schön sanierter Jugendstil mit Hinterhof und eigenen Garten. Ich bin Hausmeisterin, muß einmal die Woche Treppen reinigen, da total verarmt, aber glücklich. Der Palast ist somit auch noch bezahlbar. Außerdem ist der Hauswart eine Autoritätsperson, solltest mich mal mit meiner Joop - Schürze durchs Haus wedeln sehen.
Abends verlasse ich dann das Haus, steige mit Hüten so groß wie Wagenräder in teure Autos von beknackten Lakaien. Die meisten Mieter sparen sich darauf hin, den Besuch eines Boulevardtheaters. Barthez, unser Obergeneralskater geht täglich zwei mal über die Laubacher Straße. Ich glaube er geht zum Friedhof, da liegt übrigens die arme Marlene. Doch sein Ziel ist anders gelagert, er trifft sich mit fremden Katzen. Und Killermartha und ich, dachten immer wir sind die Einzigen! Scheiße war's und kein Kakao. Martha tanzt bis spät in die Nacht am Rüdesheimer Platz mit wildfremden Katern Katzentango. Kann ich verstehen, irgendwie muß man sich als weibliches Wesen in dieser Welt ja abreagieren. Und ich gehe natürlich nur noch mit Sonnenbrille einkaufen. Wurde neulich bei Bolle, wiederholt angesprochen, ob das mein Kater ist, der nachts mit wackelndem Hintern durch die Ahrweilerstraße schleicht. Nun gut, das Beste wird sein, ich rufe Dich mal an, stimmt Deine Telefonnummer noch?
Laß uns in Kürze treffen und einen ordentlichen Kostümverleih aufsuchen, mir ist irgendwie auch nach ein wenig Karneval. Hatte wirklich viel Arbeit und Stress, aber jetzt ist Land in Sicht und mein Garten, bietet Gott sei Dank die notwendige Erholung.

Liebe Grüße senden
Sybi und die Miezenviecher

02.06.03 Sybille an Ex Freund Norbert

Hallo Norbert,

ich hoffe es geht dir gut. Und dieser selbstlose Wunsch hat natürlich einen guten Grund. Ich habe mich schweren Herzens entschlossen, deine Vaterschaftsklage bezüglich Barthez nun endlich anzuerkennen. Er ist von dir, auch ich mußte das mit Tränen im Knopfloch meines Regenmantels zur Kenntnis nehmen. Das Katzenpsychiatrische Gutachten weißt eindeutig eine abnormale Singlegenetik auf, weitaus schlimmer als die, die mich zum freiheitsliebenden Lebensstil bemächtigt.
Außerdem spricht sein Rüpelgang und der Hüftschwung eine deutliche Sprache. So deutlich, daß er von der gesamten Umgebung bewundert wird, als hätte Mick Jagger das erste mal die Zunge raus gestreckt. Unser lieber Kleiner, singt zwar nicht, aber die Lautgebung ist trotzdem eindeutig. Es ist mir bis heute auch nicht zu Ohren gekommen, daß er schwäbelt, aber das würde mich nicht mehr erschüttern. Die endgültige Gewißheit jedoch, erlangte ich aus einem anderen Grund. Der Friedenauer Friedhof steht sozusagen Kopf. Zahlreiche Wilmersdorfer Witwen und deren mittlerweile auch dem Katzenwahn verfallenen Freundinnen, legen ihre letzten Euro in Sheba Futter an. Und diese betagten Damen streiten sich dann auch noch, von wem unser Katzengockel die Gaben freudiger annimmt, oder wer den weißen Schönling wohl besser kennt. Während dessen Barthy in wilder Promiskuität, sämtlichen Friedhofskatzen die Rübe verdreht. Heute morgen konnte ich ihn nur mit Mühe und natürlich in arger Zeitnot (einer muß ja die Mücken verdienen), von einer schwarzen Katzendame losreißen, doppelt so dick und groß wie er. Wenn das Martha wüßte... Das kostet wieder, dieses teure Antidepressiva gegen Miezeneifersucht und natürlich alles auf meine Kosten.
Apropos, ich erkenne die Vaterschaft zwar an, aber es wird teuer für dich, das kann ich Dir jetzt schon sagen. Also zurück zum Friedhof, wie bereits erwähnt, befindet sich da ja nicht nur der Abenteuerspielplatz für Katzen der Upper Class, nein auch Marlene ist dort begraben, sehr zum Stolz der Friedenauer. Zahlreiche weibliche Fans, der verstorbenen Grand Dame, pilgern also täglich zum Friedhof und machen was? Sie huldigen einen Weltstar. Aber nur, wenn sie es vor dem Tierbedarfsgeschäft noch zum Blumenladen geschafft haben. Ansonsten stiehlt Barthez Marlene zwar nicht die Show ( "Shit happens "), aber zu mindestens die Aufmerksamkeit. Und die Gute kann sich bekanntlich ja nicht mehr wehren.
Die Omis, sponsern also einen Kater, der zu Hause schon den Himmel auf Erden hat. Und machen aus dem Ort des Gedenkens und der Nachdenklichkeit ein Katzenparadiese. Der Einsatz von Barthy wiederum, hält sich in Grenzen, ist das Futter gut, und die Laune vorhanden, dürfen die Tanten ihn schon mal streicheln.
Wenn nicht gerade wieder eine Verabredung mit den leichten Mädchen (Katzengirls, fast alle ohne festen Wohnsitz, und nie Kondome dabei), ansteht. Und das alles kommt mir irgendwie bekannt vor... Kurz ich kapituliere. Er ist dein. Ich bin nicht mehr bereit, mit meinem gutem Namen, für diese unglaubliche Haltlosigkeit gerade zu stehen. Der Friedhof, eine Brutstätte der Inzucht und Herberge für ausschweifende Katzenorgien.
Montag packe ich seine Siebensachen. Wie du ja weißt, ist der wichtigste Vierbeiner in seinem Leben, die gute Martha. Charly hängt auch irgendwie an ihm und Lilly hat in Anbetracht seiner zahlreichen Verehrerinnen und seines unerschütterlichen Selbstbewußtseins, nun auch ein Auge auf ihn geworfen. Kurz, ich bringe Dir Deinen Liebling mit seiner gesamten Mischpoche. Danach verreise ich ein wenig, muß mich ja schließlich von dem furchtbaren Trennungsschmerz erholen. Du hast gewonnen. Anbei Protokoll einer der letzten Nächte. Damit Du Dich schon mal auf Deinen neuen Tages - und Nachtablauf einstellen kannst.

Mittwoch, 11.06.03

8 Uhr 30 das Haus verlassen. Um 15 Uhr 30 schnell heim, einen kleinen Imbiß genommen und natürlich unter lautem Klagen, kurz vor dem Hörsturz, schnell noch die Katzenklappe geöffnet. Dann wieder los, 18 Uhr 30 endlich zurück. Futterschalen putzen, Katzenklo reinigen, Atemschutzmaske ab, verärgerte Liebhaber am Telefon davon überzeugen, daß ich keine Katze bin, ein wenig ausruhen, Lilly spritzen, Klingel am Telefon abstellen. Ruhe, trügerische Ruhe.... Barthez gegen 20 Uhr immer noch zurück. Bin dann wie "Billy Bibber" zu Reichelt gefahren, habe Salat und Pizza eingekauft. Gegen 21 Uhr wurde es dunkel und mir reichlich mulmig. Also, den alt bewährten Regenmantel wieder an und los, Richtung Friedhof. Als ich gerade die Ampel zur anderen Seite der Offenbacher überqueren will, durchdringt mich Barthy`s herzerweichender Schrei.
Ich bleibe also bei Grün mitten auf der Straße stehen und versuche mit schreckensgeweiteten Augen die Herkunft des Klagens zu orten. Autos donnern an mir vorbei, haarscharf entkomme ich einer Karambolage. Da muß wohl der Katzengott versehentlich auch ein Auge auf mich geworfen haben. Mein Herz donnert wie ein Preßlufthammer. Und mit Ohren so groß wie Rhabarberblätter, drehe ich mich auf dem Absatz um. Der Ruf kam nämlich von hinten (schon wieder was von hinten...).
Ich eile also fliegenden Fußes, zurück in die Offenbacher. Vor dem steinernen Treppenaufgang zu unserer Haustür, also brav auf dem Fußweg, steht der König aller Kater, Barthy. Unversehrt und wohlauf meckert er mich lauthals an. So unter dem Motto: " Jetzt kommst du, geht das vielleicht auch ein bißchen schneller."Ich will gerade die einmalige Gelegenheit seiner Lage ausnutzen und richtig Meckern, da treten die lieben Nachbarn aus der Haustür. Barthy überlegt nicht lange, er weiß ja schließlich, wo er wohnt, und schießt wie ein Pfeil ins Haus. Ich in Regenmantel und Hausschuhen hinterher. Wir erwecken todsicher den Eindruck, der Kater hat mich nach Hause geholt, nicht ich ihn. Ach, sage ich, ist er nicht toll, man kann schon richtige Abendspaziergänge mit ihm machen.
Verständnisvoll trauriges Lächeln der lieben Nachbarn (J),(noch so jung und schon so meschugge...). Schönen Abend noch, Frau Weser ..., ja für sie auch, säusele ich mit hochroter Birne. Dann muß ich aber aufschließen, erneut ertönt lautes Wimmern, der Herr Kater hat ja trotz Omis Häppchen wieder Hunger. Ich satt, auch ohne Pizza. Er ist dann noch mal weg bis 23 Uhr 45. Wohin weiß nur der Rest der Gegend. Ich war zu schwach, um mich zu bewegen, geschweige denn, seinen Ausschweifungen zu folgen. So hing ich mit Lilly und Charly auf der Couch.
Martha begeistert über meine Hilflosigkeit, sabberte aus ihrem zahnlosen Mäulchen über meinen Salat. Ein schöner Tag neigte sich dem Ende.
Wenn das so weiter geht, muß ich mir vermutlich in Kürze eine neue Identität zulegen. Denn, ich werde es natürlich niemals fertig bringen, Barthy, meine einzige große Liebe, irgendwohin zu geben ! Also, mein neuer Name, für alle zukünftigen Einsätze in Sachen Undercover - Katzenintegration in den Straßen von Berlin-Friedenau: Mechtild Katz, die Wahnsinnige. Ich nehme mal an, da bleibt kein Auge trocken.

Herzliche Grüße von S.

29.06.03, Sybille an Katrin

Leila tof, Verehrteste ! Der Verrückte ist immer noch nicht zurück. Ich werde wohl den Aldi Profistrahler heute Nacht auf dem Friedhof zum Einsatz bringen müssen. Als Wahlwiederholung gebe ich vorsichthalber 110 in mein Handy ein. Ob die Grünen im Notfall mich abholen, den Friedhofswärter, oder Barthy und die schwarze dicke Katzenmätresse, ist mir dann auch egal. Hauptsache es wird überhaupt einer abgeholt.

Viele Grüße Sybi

01.07.03, Kater Barthez an Katrin

Hallo Katrin,

der Alten, ich meine natürlich Sybi, hat es heute aber wieder gereicht. Ich war bis 2 Uhr auf dem Friedhof. Und was soll ich dir sagen, die schwarze Mieze wieder nicht da! Ich, Blödkater, renne mit letzter Kraft zum Katzenstelldichein und die liegt vermutlich zu Hause auf der faulen Haut. Scheißweiber! Habe an der Katzentheke, unserer Wasserstelle vom Friedhof, mit einem alten grauen Kater richtig einen gehoben und dann ereigneten sich doch noch unglaubliche Dinge. Am Grab von Marlene, habe ich Jagger, Mick getroffen. Der hat vielleicht blöd gekuckt, als ich ihn mit "Jack" angesprochen habe. Das sind mir die Richtigen. Star - Allüren bis zum Get no, aber wenn ein echter Katzenkönig Bescheid weiß, so tun, als wäre nichts gewesen.
Ich habe mich nicht beeindrucken lassen, und mit Nachdruck für Martha ein Autogramm eingefordert. Da ich keinen Stift dabei hatte, habe ich ihn gebeten, mir einen fetten Knutscher auf meinen Katzenpo zu geben. Martha riecht ja lieber und liest so wenig. Hat geklappt. Der Typ sitzt jetzt in der Friedenauer Sportlerklause und gurgelt mit Berliner Kindl. Übrigens ein Scheißbier. Und seit meiner Heimkehr manikürt Martha mir zärtlich die Hinterläufe. Warum dieser Typ nun so toll sein soll ? Martha will und kann dazu nichts verlauten lassen, also handelt sich vermutlich um blinden Fanatismus. Sie sabbert mir bestimmt noch die halbe Nacht über meine Ohren. Köstlich, diese Hörigkeit. Wenn da nicht "Olle Charlie " wäre. Der trägt seit Stunden ein Plakat mit der Aufschrift " Nieder mit den alten Knackern" vor sich her. Kein Mensch hat gesagt, daß wir den Jagger rein lassen, oder die anderen Opas, wie Nobbsy zum Beispiel. Somit kann ich die ganze Aufregung nicht so richtig verstehen. Dazu kommt ja, Charly leidet ja selbst ein wenig an Arthrose. Herr, wenn du uns siehst oder hörst, oder beides, hab ein Nachsehen.
Sybi, meine liebe " ZipZip-laß die Büchse krachen ! ", ist nun erschöpft, Arm in Arm mit Katzedame Lilly auf der Couch eingeschlafen. Späte Mädchen, das sind die Schlimmsten. Schlaf ist bei denen nur eine trügerische Tarnung. Und Morgen donnert`s dann wieder Zweideutigkeiten. Na ja, aber diesen Dingen bin ich einfach besser gewachsen, seitdem ich wie ein richtiger Kater die Tür zu knallen kann. Ich gehe dann eben, ab und zu mal für ein paar Stunden Zigaretten holen. Es wirkt. Jawohl, wenn ich Stunden später heim komme, sind die Weiber windelweich und sehr spendierfreudig!
Soeben hat es nun auch noch angefangen zu regen. Wie ich diese Berliner Mistwetter haße. Werde mal versuchen, Charly und Martha zum Monopoly Spiel zu verführen. Immerhin, das gesamte Südwestkorso liegt unerschlossen vor uns und die Nacht ist noch jung. Aber leider, die betagten Schnauzbartputzer sind doch nur Memmen und wissen nicht so recht, wie der Rubel rollt. Nun ja, die müssen ja auch Morgen früh raus. Ich gedenke tagsüber zu ruhen, da passieren ja doch nur Kinckerlitzchen, jedenfalls nichts, was meine Aufmerksamkeit so richtig fordert.
Also Kato, der Nieselregen ist vorbei. Werde mich jetzt nochmals auf die Socken machen, irgendwie gefällt mir die dicke Schwarze vom Friedhof doch ganz gut. Ihr Fell glänzt so schön im Mondlicht. Na und Martha treibt sich ja doch nur bei den Rentnerkatzen am Rüdesheimer Platz rum, und tanzt Katzen GoGo. Manchmal eine peinliche Angelegenheit. Aber jeder nach seiner Facon. Da muß ich eben eigene Wege gehen.
Gutes Nächtle, meine Liebe

wünscht Kater Barthy
Ich sag nur, Freiheit für alle Miezen und Mauze dung!

22.09.03 Sybille an Norbert

Lieber Norbert,

war mit Barthy zur alljährlichen "Herzkasper" Untersuchung bei Frau Dr. Keßner . Dem Schlingel geht es besser, auch die Röntgenaufnahmen waren super. Ich habe mich sehr gefreut. Die Untersuchung selbst war diesmal ein echtes Kinderspiel, also Barthy hatte einen guten Tag. Schon auf der Hinfahrt hat er sehr entspannt auf der Rückfensterablage gelegen. Gott sei Dank, hat das süsse Großmaul nicht so oft gegähnt, es kam schon nach der Auffahrt Detmolder zum Stau. Kinder und Eltern, denen die Spucke weg geblieben ist, haben wir dann ab Hohenzollerndamm mit einem "Affenzahn" überholt. Ja, ja, früh übt sich... Der Gute hatte die Fahrten in die Rosenthaler noch im Gedächtnis und flegelte sich vor den vorbeifahrenden Zuschauern so gut es ging. Offensichtlich bekommt ihm die Friedenauer Frischluft. Er benötigt zwar nach wie vor seine Medikamente, ist aber fit, wie ein Turnschuh. Dafür brauche in Kürze mal was Richtiges für die Nerven. Alle lieben ihn, er ist bekannt wie ein "bunter Hund". Auf Bäumen, Pfeilern und zahlreichen Dächern, erlebt der Herr Kater Barthez, das Tor zur Welt. Und auch ich, eine Bedienstete, genieße mitunter die Gunst der Anwohner. Diese widerfährt mir natürlich nur, weil ich ja der gemeine Futterbesorger eines hochbegabten Zirkuskaters bin. Dank der Uni Marburg, hat der Liebling aller Samtpranken, nun auch einen Peilsender in seinem Halsband. Ich mußte ewig suchen, um das, mir aus alten Stasizeiten hinlänglich bekannte Feindgerät, zu finden. Heute nutzt die Forschung diese Dinge ja auf dem weiten Feld der Zoologie. Die Herren Wissenschaftler waren also sehr kooperativ, und hatten durchaus Mitgefühl. Ein ausrangiertes, aber absolut intaktes Gerät wurde uns vermacht. Mein zermürbtes Gehirn muß ich ihnen natürlich nach Ableben zur Verfügung stellen. Organspendepaß usw. Ist mir aber egal. Der Peilsender war`s wert. So kann ich Barthez auch finden, per GSM, wenn er sich in Not befinden sollte oder verletzt wurde. Der Sender hat eine Reichweite von max. 3 Km. Wir sollten, als verantwortungsbewußte Eltern (Achtung Scherz !!!), darüber nachdenken, ob dein Handy nicht auch für diese Software eingerichtet werden kann. Seine Busenfreundin Martha und die restliche Neurotikerbande, wären dir sehr dankbar. Sie leiden jeden Abend, bis er endlich gegen 22 Uhr vom Friedhof zurück kommt und sie abholt.
Ich habe mir abgewöhnt, in dieser Zeit zu Hause zusein, meine Herzrythmusstörungen werden einfach nicht besser. Sonst ist alles prima. Atme tief durch, mein Lieber. Kannst also wirklich ein wenig verhalten freundlich sein....ohne Panik. Der Job klappt auch, erfreue mich der üblichen Anerkennung und damit verbundener Sympathie.

Herzliche Grüße
Sybi

15.10.03 Sybille an Norbert

Er fehlt mir. Was auch immer ich anziehe, überall sind seine weißen schönen Katzenhaare. Martha frißt nicht und setzt sich auf die Plätze, an denen er so gern gelegen hat. Sie schnuppert an Decken und Kissen von ihm, und manchmal mache ich mit. Aber davon wird es ja auch nicht besser. Die Nachbarn sind sehr lieb und geben sogar Blumen ab. Unser Antiquitätenhändler, Herr Fuchs, ein äußerst eloquenter Klatsch - und Tratschkumpan, schmeißt mir im Vorbeigehen Süßigkeiten in die Handtasche und sagt, ich soll tapfer bleiben. Auf dem Anrufbeantworter sprechen die Nachbarskinder ihr Mitgefühl aus und betonen dabei, wie sehr sie ihn vermissen. Fast alle legen mir ans Herz, mich endlich warm anzuziehen. Ich bin dankbar. Arbeite stundenweise, so kann ich mich ab und zu nach Hause verpfeifen und an ihn denken. Unsere Wohnung ist still und jedesmal, wenn ich in der Küche das Klappern an den Futternäpfen höre, habe ich das Gefühl, gleich kommt er um die Ecke galoppiert. Mein bester Kumpel ist tot. Ich werde ihn nie wiedersehen. Barthez hat viel Liebe, Fürsorge und Anerkennung genossen, er hat aber auch viel gegeben, uns allen. Selbst Charly und Lilly sind traurig, und denen hat er ja mitunter nichts geschenkt. Auch wenn er manchmal mächtig auf den Putz gehauen hat. Wer nicht mit einem Barthy zusammen gelebt hat, weiß auch nicht, wie sehr sich die Welt verändern kann, ohne ihn. Er hat mich zwar nie zum Essen eingeladen, war aber tausendmal freundlicher und aufrichtiger, als so manch zweibeiniger Galan. Was bin ich von Verabredungen nach Hause gerannt, weil seine Gegenwart viel amüsanter und aufregender war. Dann kam er meist gurrend auf mich zu, so unter dem Motto:" Das haste nun davon, wärst`e gleich zu Hause geblieben". Du erinnerst dich ja sicher, er konnte sich so süß schleimend auf das Kopfkissen werfen.
Da hat er dann gelegen und sich gefreut. Ich auch, sein süßer Hintern hing ja immer in deine Richtung. Es ist wahr, der Verlust läßt einen erst begreifen, wie sehr man ein Tier geliebt hat. Es gibt keinen Trost und das ist auch in Ordnung. Er war einmalig, eben Barthy. Immer voller Abenteuerlust und unterwegs zum auserwählten Ziel.
Ich war am Montag noch mal auf dem Friedenauer Friedhof. Habe in aller Ruhe dort gesessen und dann auch begriffen, was ihm so gefallen hat. Es ist still dort, die Vögel zwitschern, keine Hunde weit und breit, und Ruhe. Einfach eine katzenfreundliche Idylle, eben so, daß die gemeine Hauskatze, die Mäuse spazieren gehen hört. Und dann kam tatsächlich die dicke schwarze Katze. Sie hat an meinen Schuhen und dem Regenmantel geschnuppert und auf der Bank neben mir Platz genommen. Ihre großherzige Zutraulichkeit erwischte mich völlig unvorbereitet. Vielleicht hat sie ihn vermißt, er wurde ja auf dem Hinweg zu seinem "Stelldichein" überfahren. So wie ich ihn kannte, hat Barthy sich auch bei ihr täglich eine ordentliche Portion Bewunderung abgeholt. Sie könnte viel besser beschreiben, wie außergewöhnlich und unbestechlich er war. Wir haben ein Weile zusammen gehockt, dann ist sie wieder los und ich bin auch nach Hause.
Ohne ihn.

17.10.03

Die letzten Augenblicke seines Lebens, das letzte, endgültige Bild, daß sich für immer in die Erinnerungen eingräbt. Täglich komme ich an der Laubacher Straße vorbei. Es ist furchtbar. Ich kann es nicht zu Ende denken, wie mein Kater auf dieser Straße gestorben ist. Meine Zuneigung zu ihm ist ungebrochen. Ich fürchte nur die Welt. Brutal fordert jede Sekunde Sorglosigkeit, ihren Preis.
Wut wühlt sich durch meinen Tag. Ich habe gehofft, das meine Wünsche erfüllbar sind. Für Kater Barthez, Auslauf und die Wahl, auch als frei lebender Kater in unserem Haushalt zu leben. Sinnlos donnerte ihn am 11.10.03 dieser Taxiwagen auf den Asphalt. Der Fahrgast hatte da vermutlich schon den Flugzeugsessel unter`m Hintern. "Time is Money "und sonst gar nichts. Der rasante Fahrer (70 Km/h, nach seinen Angaben), war schnell genug, um Barthez fast das Genick zu brechen. "Danke technischer Fortschritt", das mein Kater nicht lang leiden mußte.
Ein Tier, das viele Menschen mochten, lag zerschmettert auf der Straße, wie ein Stück Dreck. Es ist schrecklich, einen Kater, der nichts anderes im Sinn hatte, als seinen Revierspaziergang zu machen, so zu finden. Er blutete stark aus dem Mund, hatte einen Schlag an der rechten Kopfseite, lag reglos auf der Straße, der Schwanz buschig, was deutlich erkennen ließ, daß er den Moment der tödlichen Gefahr, bewußt erlebt hat. Ich war wenige Minuten vorher mit ungutem Gefühl aus dem Haus gelaufen, wollte sehen, ob er schon wieder Richtung Friedhof unterwegs war. Und während ich in unserem Kellerraum meine alten Zeitungen in die Tonne stopfte, hielt ein Taxi bei grün an der Ampel. Wie immer, beobachtete ich durch die Fensterscheibe die Laubacher Straße. Der Fahrer stieg aus und öffnete den Kofferraum. Gott sei Dank; der holt jemanden ab, habe ich gedacht. Dann sah ich, wie er eine Papiertüte aus dem Kofferraum nahm und sie aufriß. Ab diesem Augenblick bin ich aus dem Keller gestürzt, an den parkenden Autos vorbei gelaufen. Auf der Mitte der Straße, genau auf dem aufgezeichneten Warndreieck mit der Beschriftung "Fußgänger" lag Barthy, regungslos. Der Taxifahrer brüllte mich an. Im ersten Moment, habe ich gedacht, ich kann da nicht hinüber gehen. Ich hatte schreckliche Angst.
Doch sein Anblick hat mich unmerklich in Bewegung gesetzt. Niemals hätte ich ihn so allein lassen können. Ich habe ihn vorsichtig aufgehoben und an die Seite gelegt, bin zurück in die Wohnung gerannt, habe Handtücher geholt, so viel Bargeld wie möglich eingesteckt, die Türen zugeknallt und gedacht, alles hängt von meinem Einsatz ab. Den Taxifahrer habe ich angeschrien, schnell zu einem Tierarzt zu fahren.
Ich frage mich im Nachhinein, wie oft dieser Mensch wohl schon Tiere überfahren hat. Er war praktisch bereit, den Kater zu entsorgen. Wenn ich nicht gekommen wäre, hätte er ihn vermutlich in die nächste Tonne geworfen. Während der Fahrt zum Tierarzt, lag Barthez bewußtlos in meinem Arm. Ich habe das Klopfen seines Herzens noch zweimal gefühlt. Das Klopfen. Dann war alles vorbei. Furchtbare Ruhe, noch vor Ankunft in der Praxis, ist er gestorben.
Ich hoffe sehr, daß er spüren konnte, daß er in diesem Augenblick nicht allein gelassen wurde. Er war schwer verletzt, sein rechtes Auge zerquetscht, der Kiefer geschwollen. Er ist mit seinem eigenwilligen Kopf gegen unsere Wand gelaufen, so ist es wohl. Die Wand, die wir für immer, zwischen den Tieren und uns errichtet haben. Handlungsunfähig, war ich dankbar, als die Tierärztin ihn wortlos und liebevoll in die Handtücher eingewickelt hat.
Er war 4 Tage alt, als ich seine beiden Geschwister und ihn 1998, in meine Obhut genommen habe. Die ungeheuer aufwendige Aufzucht und der damit verbundene Streß, all diese Dinge waren überhaupt kein Problem. Wie man mit einem toten Kater nach Hause geht, habe ich nicht gewußt.
Man ist jedenfalls allein. Nur der Tod tänzelt auf lautlosen Sohlen grinsend hinter einem her. Und dann stirbt der Alltag.
Als wir in der Offenbacher angekommen sind, habe ich seinen Kopf halten müssen, er hing einfach herunter. Daheim habe ich versucht, das Blut von seinem Köpfchen zu waschen. Es ging nicht. Die Schwellungen am Kopf wurden immer stärker. Ich habe ihn gestreichelt und umarmt, wollte ihn einfach nicht loslassen.
Dann ist Katrin gekommen. Wir haben ihn in einen schönen Karton gebettet, eingewickelt in seine Lieblingsdecke. Er war so schwer. Ich hatte den Eindruck, die Erlebnisse seiner fünf Jahre Katerleben, sind da mit ihm in den Sarg gesunken.
Wir haben dann das Haus verlassen, um auch den Katzen Gelegenheit zu geben, Abschied zu nehmen. Ich bin sehr froh, daß ihm und uns dieser Abschied vergönnt war. Die Brutalität seines Todes, wird mich mein Leben lang verfolgen. Sie zerstört ein Stück meiner Welt. Und jeden Tag, den uns das Schicksal vor dieser Erfahrung bewahrt, sollten wir glücklich sein. So wie Barthez.
Es war sein ganzer Stolz, frei zu sein. Seine würdige Gelassenheit hat viele fasziniert. Er war immer zurückhaltend freundlich. Ich werde nie vergessen, wie ich ihn einmal auf seinem Heimweg beobachtet habe. Es war im Juni dieses Jahres. Auf der Suche nach ihm und kam ich ins Gespräch mit einem Herrn aus der Offenbacher Nummer 19. Wir haben über die Dürre geplaudert und er hat mich beruhigt. Da war der Kater schon wieder 10 Stunden unterwegs. Und während dieser Mann die Bäume in seinem Vorgarten gegossen hat, spazierte Barthy an uns vobei." I`s er das ?", hat der Fremde mich damals fröhlich gefragt. Und ich war so stolz! Barthez lief geschäftig gelassen an uns vorbei, schlendete munter durch die Offenbacher Straße. Beide sahen wir ihm nach. Ein angenehmer Fußgänger, der auf dem Heimweg war. Wie gern, würde ich für immer die Straßen und Plätze mit diesen Wesen teilen. Sie haben nämlich das Format, ruhig auf die andere Seite zu gehen, wenn sie jemanden nicht mögen. Eine Kunst, die wir Menschen nachweislich nicht beherrschen. Er war damals wenige Minuten vor mir daheim, saß in der Küche und begutachtete die leere Futterschüssel. Ich habe kräftig nachgelegt und keine Ahnung gehabt, daß diese Bekanntschaft, ihm später einen letzten Platz bieten wird. Im Garten dieses Mieters, direkt an der Friedhofsmauer, hat Barthy seine Ruhe gefunden. Ich hatte große Angst, das ihm dieses letzte Stückchen Freiheit verwehrt wird. Aber, als ich ihn in der Nacht beerdigt habe, öffnete sich ein Fenster im ersten Stock. "Da werden unsere Katzen auch begraben", antwortete uns eine Dame von ihrem Balkon. So hat Barthy ein Grab, und ich einen Ort, seiner außergewöhnlichen Katzenseele, die Ehre zu erweisen. Noch nie ist ein Lebewesen der Sahnetorte so nah gekommen und dabei mochte er ja doch nur Dresdner Stolle!

27.10.03 Katze Martha, Katze Lilly und Kater Charlie an Barthez

Wir hoffen, es ist in deinem Sinn ist, in unserer WG, ein Kätzchen aufnehmen. Der Trostlosigkeit jedenfalls, werden wir keinen Zugang mehr gewähren. Ein derartig sinnlose Handlung, hättest du, lieber Barthy, so lebendig und voller Wagemut, mit Sicherheit verachtet.
Gestern also ist Avivit (hebräisch Frühling) Bernstein eingezogen. Sie ist 15 Wochen alt, geb. am 16.07.03, um 17 Uhr, hat rabenschwarzes glänzendes Fell, genau wie deine Flamme vom Friedhof. Und sie hat wunderschöne, bernsteinfarbene Augen. Das sie die Wohnung aufmöbelt, wie ein nie gekannter Taifun, ist eine der banalen Begleiterscheinungen ihrer unbekümmerten Jugend. Charly jedenfalls, ist verliebt und das auf seine alten Tage. Lilly kümmert sich zunehmend weniger um seine Allüren, und begrüßt die Zusammenrottung weiblicher Wesen. Martha überlegt noch, ob sie Avivit zum Mäuse fangen gebrauchen kann, ist aber auch froh, das wieder ein Wesen aus der Familie Katz über den langen Flur donnert. Und Avi läßt die neue Bewegungsfreiheit lautstark beben. Sie hat bereits die gesamte Wohnung erobert und fühlt sich sehr wohl. Ich bin sicher, du würdest ihr mit Begeisterung begegnen. Sie ist ein wenig aus deinem Holz, schnattert rum, ist neugierig, klug und kennt keine Furcht. Freundlich und sehr gekonnt, hat sie uns alle ein wenig aus der Trauer gerüttelt. Lieber Barthy, du einen festen Platz in meinem Herzen. Wir werden dich niemals vergessen, immer wirst du bei uns sein.

19.10.03 Sybille an Katrin

Das Herz rostet, leider. Das ist wohl der Preis. Stück für Stück, wühlt sich die Trauer tiefer in die Seele.
Aber, es gibt auch wieder Freude in unserem Haus. Wirbelsonne Avivit ist ohne Vorbehalte, und mit ihrem wunderbar seltsamen Humor eingezogen. Täglich freue ich mich mehr über ihre Anwesenheit. Sie hat ein wenig gezaubert, und unsere Herzen komplett erobert. Mit Liebe und Sorgfalt werden wir sie unterstützen. Wie gesagt, Charly ist schon hinüber, und es gibt wirklich keine bessere Eintrittskarte. Martha spielt vergnügt mit ihr, "Ich weiß wo`s lang geht" und Avi springt, so oft es nur geht, sorglos auf meine müden Schultern. Ich durchstreife dann eben die Wohnung leicht gebückt, und erlebe alles mal aus einer anderen Perspektive. Spätestens jetzt, dürfte ein für alle mal klar sein, aus welchem Stall ich komme. Mieze Avi nimmt täglich ein Bad in Barthy`s Wasserschüssel.
Und Barthy hat eben lieber Badewasser getrunken. So ist das Leben.

29.10.03 Sybille an Katrin

Liebe Katjuschka,

nachdem ich Heute, mit dem neuen Astschneider, den Vorgarten der Bundesallee kurz und klein geschnitten habe, (in meiner Phantasie war jeder Strauch ein Autoreifen), hat es mich jetzt wohl doch erwischt. Das gemeine Kindbettfieber sozusagen. Wenn man zur Katzenmutter wird, stellen die Symptome sich oft erst Wochen später ein. Außerdem war die Gartenarbeit ein echter Alptraum. Ich sag nur : "Immergrüne Berberritze...!" Dornen, mindestens 3 cm lang, und ich im Kostüm und ohne Handschuhe. Habe mich da doch ein wenig übernommen. Wie immer, die ganze Portion, ein wenig geht eben nicht. Und das hat Folgen. Kurz, ich bekomme vermutlich die Grippe. Und zwar die mit G, nicht mit K. Wozu auch, zum Schaukeln fehlt die Zeit, und das Katzenkind läuft ja auch schon recht ordentlich.
Avivit düst also durch die Wohnung und macht sämtliches Katzenspielzeug zur Minna. Es ist herrscht ein wunderbar merkwürdiges "Wusseln" im Haus. Kurz, es klappert und wackelt an allen Ecken und Enden. Die liebe Martha bewundert Vivi, während dieser Aktivitäten, aus sicherer Distanz. Das ist eben die Weisheit des Alters, die mir noch fehlt. Daher sehe ich auch aus, als ob ich ein Verhältnis mit einem Sadisten habe. Die Kratzer am Körper sind von Avi, die mich unablässigt bespringt, die Kratzer an den Händen und auf der Nase von der immergrünen Berberritze.
Ich fühle, wie die Temperatur unablässig steigt und möchte hiermit betonen, daß ich mich trotzdem nicht unterkriegen lasse. Steige in Kürze in mein Bett und mache erst mal Pause. Rechts ne Katze, links ne Katze. Hilft immer. Da ich ja auf doppelte Besatzung zurück greifen kann, stehen die Chancen gut. Hoffe also, daß ich Morgen bei Stimme bin. Sonst hagelt es eben Email.

Sei lieb gegrüßt von deiner Sybi

Die Tagebuchaufzeichnungen sind während der letzten Monate entstanden.
Barthez ist am 11.10.03, um ca.16 Uhr 40 gestorben. Seit dieser Zeit, schreibe ich nicht mehr regelmäßig.
Kurz noch zu unserer WG. Ich lebe mit Lilly (16 Jahre), Martha,(4 Jahre), süßer Hinterhofzwergenwuchs, Motto :"Wo steht das Klavier, ich bin mit dem Fahrrad da", (Barthys Lebensgefährtin!), Charly, 17 Jahre, und unser Oberoberboss, Motto:" Herr, gib mir Kraft !" und nun Avivit Bernstein,(16 Wochen alt), Motto: "Das Klavier kann später abgeholt werden, jetzt haun wir erst mal auf die Pauke", zusammen.

Danke an Sybille für die sehr nahegehende Geschichte (November 2003)