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Katrin'chen
Haste schon die Katze auf dem hinteren Hof gesehen"?
"Vater saß am Küchentisch, und der Satz endete mit endlos vielen Fragezeichen. Nee, hatte ich nicht.
"Wo kommt die her?", fragte ich ihn.
Grummelig konterte er: "na, das frage ich Dich! Du weißt doch sonst immer alles so genau!"

Tatsache war: er hatte sie gesehen - d. h. zuerst gehört.

Sie kramte in leeren Büchsen auf dem Hof und das schepperte gewaltig.
Als Vater sie entdeckte und ansprach, flüchtete sie blitzartig durch ein Loch im Drahtzaun auf's Nachbargrundstück.
Dort wurde ein Hotelneubau errichtet, ein richtig solides Blockhaus diente der Bauleitung als Quartier und darunter schien das scheue Kätzchen in Untermiete zu wohnen.
Wann immer Vater zu den Mülltonnen ging,- er "traf" sie.
Ich hingegen hörte über Wochen nur durch seine Erzählungen von ihr.

Eines Abends, am Wochenende, kamen wir später nach Hause.
Vor der Baustelle an der Straße war ein hölzerner Umgang gebaut, dessen Ausgang am Vorbau eines Restaurants endete.
Dort betrat man wieder den eigentlichen Gehweg und genau in der Ecke sah ich sie aus dem Augenwinkel an der etwas zurückliegenden Eingangstür sitzen; mit schiefgelegtem Köpfchen, großen, runden Kulleraugen - fehlte nur noch die "aufgehaltene" Pfote - wie eine um Almosen Bettelnde.

Jeder der das Restaurant betrat, sah sie und fast jeder brachte auch das eine oder andere Stückchen Fleisch oder Kartoffel mit hinaus.
Stets in die dem Steak-Haus als Markenzeichen dienenden roten Servietten eingewickelt.
In der Ecke sah es aus, wie in einer Stierkampfarena - wo man auch hinblickte: ROT!

Einen Moment blieb ich mit meinem Mann stehen, um sie zu beobachten. Dabei fanden wir heraus, daß sie eine Weile auf sich aufmerksam machte, aber stets darauf bedacht war, jederzeit den Rückzug antreten zu können.
Bückte sich jemand zu nah vor ihr, verschwand sie blitzartig zwischen Gang und Vorbau, um dann -sobald wieder Ruhe eintrat- das Niedergelegte in der Serviette zu inspizieren.

Nun muß ich dazu noch erklären, daß es sich nicht um eine stille Seiten- oder Vorortstraße handelt, auf der sich das ganze abspielte, sondern auf einer der belebtesten Straßen Berlin's - den Kurfürstendamm!

Wir beschlossen, zumal es sehr kalt war und nach einem am darauffolgenden Tag geführtem Gespräch mit der Bauleitung feststand, daß in etwa drei Wochen das Blockhaus abgebaut würde, die Katze einzufangen.
Ihre Betteleien fanden offenbar auch nur an den Wochenenden statt, denn an den anderen Tagen wurde sie auf der Baustelle -vom Feinsten verpflegt.

Da starke Kälte herrschte, fror das Futter am Wochenende und man stellte deshalb garnichts hin.
Nun stellte sich die Frage: wie einfangen?

Phase 1:
Katzenkorb in Höhlenform mit Gittertür. Köder (Sprotte) reinlegen; an's Türchen Schnur, abwarten bie Katze im Korb, dann zuziehen. Hört sich einfach an, aber auf dem belebten Ku-Damm vor einem stark frequentierten Steak-Haus?!? Wir froren erbärmlich und gaben nach 2 Stunden auf. So ging's nicht! Ich lockte sie dann ohne Korb, mit warmen Futter und warmer Milch. Das klappte famos; Metallschüsseln, an die ich mit einem Schlüssel klopfte signalisierten ihr, das es Futter gibt.
So ganz ideal war aber auch diese Methode nicht, da sie sich nicht anfassen ließ. Immerhin kannte sie mich jetzt schon. Ein wenig albern kam ich mir schon vor, wenn ich in der Ecke stand und vor mich hin quasselte.
So gings also auch nicht! Erneutes Gespräch mit dem Bauleiter: Nun schnitt er mir ein größeres Loch in den Zaun, der beide Höfe trennte.
Ich wollte abends eine Katzenfalle aufstellen. Er betonte "auf eigene Gefahr", falls ich in stockdunkler Nacht auf der Baustelle rumkrabbeln sollte.

Phase 2: Falle präpariert. Nach 2 Stunden runter durch Zaun gerobbt. Köder war weg, aber Katze auch. So'n Schiet! Morgen Abend erneuten Versuch starten?
Ja Klar! So ging das 4 Tage, oder besser Abende und Nächte.
Wir probierten die Falle in der Wohnung aus: Köder festgebunden, Probezug - Klapp!
Nun müßte das Viech drinsein! War'se aber nicht! Woran lag's bloß??
Ich stellte die Falle noch einmal - zum letzten Mal - auf und blieb noch einige Minuten mit der Taschenlampe in der Hand in einiger Entfernung stehen.
Um sicher zu gehen, kontrollierte ich die Falle noch einmal und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Die Falle bestand fast ausschließlich aus Holz und durch Kälte und Feuchtigkeit verzog sich die Tür. So konnte die Katze in Seelenruhe den Köder abnagen, ohne das etwas passierte.

Phase 3: Von einem Katzenliebhaber, der sich auf's Einfangen ausgesetzter Katzen spezialisiert hatte, bekam ich dann eine Falle, die aus Metallgittern zusammengesetzt war.
Mit der klappte es an einem bitterkalten Sonntagnachmittag innerhalb einer halben Stunde.
Nun begann eine Odyssee durch mehrere Quarantäne-Stationen eines privaten Katzenvereins.
Trotzdem man es überall gut mit ihr meinte, verkroch sie sich immer mehr und fraß zum Schluß auch nicht mehr. Als ich sie dann holte, kam sie - zum ersten Mal - auf mich zu, ließ sich anfassen und hochnehmen; sie lag in meinem Arm, drehte sich auf den Rücken, schnurrte und schloß wohlig die Augen.

Offenbar war ich die Einzige, der sie vertraute - und so ist es bis heute auch geblieben.

So landete Katrin'chen, wie sie getauft wurde, wieder bei mir.
Mit mir schmust sie, besabbert sich vor Wohligkeit, wenn ich sie schlage(!) JA, schlage. "Schinken klopfen" - immer gib's ihr - rechts und links auf den Katzenhintern.

Das findet sie toll, das genießt sie!
Pervers, vorallem für Außenstehende. Wäre sie ein Mensch, würde man sie der Sado-Szene zuordnen!

Sie ist eine kleine Zicke, die Po- schwenkend durch die Wohnung stolziert.
Meine anfängliche Angst, sie nicht in meinem Katzenhaushalt integrieren zu können, hat sie widerlegt und sich trotz ihrer Scheu einen Platz - auch in unserem Herzen - erobert.
Karl'chen ist nicht der ideale Gefährte, weil ein total Verrückter; Herkules war ihr "King", an dessen Schwabbelbauch sie sich geschützt und geborgen fühlte.
Er putzte sie hingebungsvoll und sie schliefen ineinander "verpfotet".

Nachdem er nicht mehr da war, suchte auch sie eine Zeitlang nach ihm, vorallem zur Schlafenszeit.
Genoß dann aber das Gefühl, die sonst mit dem "King" geteilten Ruheplätze alleine nutzen zu können. Seit fast einem Jahr nun hat sie einen Schlafplatz entdeckt, den sie auch -wenn nötig- verteidigt.
Ein Heizkissen! Während einer Erkrankung von mir gebraucht, flog es eines Nachts aus meinem Bett, wurde von ihr vereinnahmt und "gehört" ihr nun ganz!
Mittlerweile durch zwei kleine Federkissen und Frotteetuch aufgewertet zu einer Luxusliege.
So "pennt" sie, sanft schnurrend neben meinem Bett.
Ab und an schleppt sie sich allerdings auf allen Vieren rutschend, schwer prustend einige Zentimeter vom Kissen, weil's zu warm wird!
Ganz im krassen Gegensatz zu meinem "Roten", dem ein Schlafplatz in der Badewanne angemessener erscheint.

Katrin'chen die Stille, Sanfte -
Karl'chen der Irrwisch, der Clown -
Herkules der "Professor", der "King" -
Paul'chen der Schieler, ewig Kranke -
alle haben sie in meinem Herzen ob schöner und schmerzvoller Erlebnisse einen Platz - für immer!

Herzlichen Dank Babsi!