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Das Glückskätzchen

Es war ein Tag wie aus einem Märchenbuch - es war der 24. Dezember, alles war mit frischem Pulverschnee bedeckt, die Sonne strahlte und die Welt sah aus wie mit Milliarden von kleinen Diamanten übersät. Gerade so, wie man sich den Heiligabend in seinen schönsten Träumen vorstellt.
Doch für das kleine Kätzchen, das frierend und hungrig in seinem Versteck in der Scheune lag, war es alles andere als ein schöner Tag. Seine Mutter war seit zwei Tagen nicht mehr gekommen, um ihm Nahrung und Wärme zu schenken. War ihr etwas zugestoßen? Haben liebe Menschen sie in ihr Zuhause aufgenommen ohne zu ahnen, dass sie ein Baby zu versorgen hat? Das Kätzchen zitterte vor Angst und Kälte, hatte schrecklichen Hunger und Sehnsucht nach der Liebe und Geborgenheit seiner Mutter. So fing es an, erst ganz leise zu wimmern und dann immer lauter - irgend jemand musste doch kommen und ihm helfen!
Zur gleichen Zeit war die kleine Maria mit ihrem Frühstück fertig und konnte es kaum erwarten, endlich draußen im Schnee herumzutoben. Sie zog sich mollig warm an, gab ihrer Mutter einen Kuss und stürmte fröhlich singend nach draußen. Sie rannte über eine Wiese, warf den Schnee in die Luft und war voller Freude über den wunderschönen Tag und vor allem, weil heute Abend ja das Christkind kommen sollte! Was wird es wohl bringen? Vielleicht das ersehnte dreifarbige Plüschkätzchen, das sie ein paar Tage zuvor in einem Schaufenster gesehen hatte? Ach, wenn es doch nur endlich Abend wäre!
Doch mitten im Spiel horchte sie auf. War da nicht ein Geräusch? Sie machte sich auf die Suche, woher das kam und schließlich erreichte sie die Scheune mit dem kleinen Kätzchen. Zum Glück war das Tor nicht verschlossen, so dass sie ungehindert hineingehen konnte. So fand sie das Kleine in seiner Not. Es war ein dreifarbiges, gerade so wie die kleine Katze im Schaufenster!
Sie nahm es behutsam auf, wärmte es unter ihrer Jacke und lief nach Hause. "Mama, Mama, schau mal, was ich gefunden habe! Darf ich sie behalten?" Die Mutter empfand sofort tiefes Mitleid für das kleine Tierchen. "Ach du meine Güte!" rief sie "Die Kleine ist ja am Verhungern! Ein Glück, dass du sie gefunden hast. Wir werden sie jetzt erstmal versorgen, aber so einfach behalten kann man eine gefundene Katze nicht. Wir müssen uns vergewissern, dass sie niemandem gehört, und Papa solltest du auch erst mal fragen, findest du nicht?" Maria nickte nur leicht enttäuscht.
Zusammen bereiteten sie ein gemütliches Schlafkörbchen und besorgten eilig Katzen-Aufzuchtmilch. Denn normale Kuhmilch, erklärte die Mutter, ist für Katzenbabys unverträglich. Als der Winzling versorgt war, liefen sie zu dem Bauernhof, wo Maria das Kätzchen gefunden hatte. Der Bauer wusste gar nichts davon und war damit einverstanden, dass Maria die Kleine behielt. Die erste Hürde war geschafft! Sie jubelte, wirbelte im Kreis herum und zog dann ihre Mutter ungeduldig nach Hause.
Ach war die Kleine niedlich! Hoffentlich hat Papa nichts dagegen! Da kam dieser auch schon in den Hof gefahren. Maria rannte hinaus, sprang an ihm hoch, kaum dass er aus dem Auto gestiegen war und überfiel ihn gleich mit der aufregenden Neuigkeit. Er lachte, weil er seine Tochter noch nie so stürmisch erlebt hatte. Sie zerrte ihn sofort ins Wohnzimmer, noch ehe er seine Schuhe ausziehen konnte. "Egal, ich mache das schon wieder sauber!"
Da stand also nun das Körbchen. "Eine Glückskatze!" rief er aus und bückte sich. Als er das Kätzchen vorsichtig berührte, fing es leise an zu schnurren. Da war es um ihn geschehen. Dieses kleine Fellbündel musste man einfach liebhaben! "Also gut, kleiner Wildfang, du darfst sie behalten. Aber du weißt sicher auch, dass es Arbeit macht und eine große Verantwortung ist, sich um ein Tier zu kümmern! Es ist kein Spielzeug, sondern ein Lebewesen. Du hast die Verantwortung bis an ihr Lebensende - und eine Katze kann zwanzig Jahre alt werden!"
Maria umarmte ihre Eltern so stürmisch, dass sie beinahe alle zusammen auf den Boden gefallen wären. Diese Verantwortung wollte sie nur zu gerne übernehmen, auch wenn es mal schwierig werden sollte.
"Wie willst du sie denn nennen?" fragte der Vater. Maria überlegte. Da meinte die Mutter "Ich finde, wir sollten sie nach Maria benennen, schließlich hat sie ihr das Leben gerettet. Was haltet ihr davon, wenn wir sie Mariechen nennen? Es passt auch so gut zu Heiligabend!"
Dieser Vorschlag wurde begeistert angenommen. Mariechen, die Weihnachts-Glückskatze! Maria war so mit ihrem kleinen Liebling beschäftigt, dass sie am Abend fast vergessen hätte, ihr Geschenk auszupacken, das unter dem schön geschmückten leuchtenden Weihnachtsbaum lag. Sie traute ihren Augen nicht - es war tatsächlich die Plüschkatze aus dem Schaufenster!
Maria war so glücklich, dass sie etwas von ihrer Freude weitergeben wollte an jemand, der an diesem Abend vielleicht nicht so glücklich war. Sie wusste, dass in der Nachbarschaft ein kleiner Junge wohnte, der keinen Vater mehr hatte und dessen Mutter in solchen Geldnöten war, dass sie ihrem Sohn zu Weihnachten nichts ausser ihrer Liebe schenken konnte.
Schnell packte sie das Plüschkätzchen wieder ein, lief zu dem Nachbarhaus und drückte es dem völlig verdutzten Jungen in die Hand: "Hier, für dich, damit du auch etwas unter dem Weihnachtsbaum liegen hast!"
Der Junge bedankte sich überglücklich und seine Mutter strich mit Tränen in den Augen sanft über Marias Haar "Danke, dass du meinem Jungen so eine riesengroße Freude gemacht hast. So glücklich habe ich ihn zu Weihnachten selten gesehen! Bitte komm uns bald mal besuchen, ja?"
So hatte das Glückskätzchen am Weihnachtsabend gleich fünf Menschen Glück und Sonnenschein ins Leben gebracht.

Danke an Susan für die tolle Geschichte! (Januar 2004)