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Blacky's Stern
Schwarz war er. Ein reines, tiefes und unergründliches Schwarz war es, wie seine Katzenseele, tief und unergründlich. Doch wie zum Trotz kämpfte ein kleiner weißer Lichtfleck auf seiner Brust gegen die erdrückende, schwarze Übermacht. Und genau wie dieser weiße Fleck fand ich ein helles Licht in seiner geheimnisvollen Seele, und es war Freundlichkeit.

Als die frostigen Krallen des Winters langsam stumpf und schartig wurden und sich sein kalter Würgegriff zunehmend lockerte, war Er auf einmal da. Woher er kam, wußten wir nicht, wohin er immer ging, auch nicht. Aber es hatte sich im Dorf herumgesprochen, daß es in dem Haus mit der blauen Mauer und der dichten Ligusterhecke immer etwas für Freibeuter und Heimatlose gab. Katzen-Kommunikation funktioniert zuverlässig. Der schwarze Kater lernte das Wann und Wieviel schnell, Dorfkater sind schlau, sonst wären es keine Dorfkater.
Wir gaben ihm zweckmäßigerweise den Namen Blacky. Seinen richtigen Namen in der uns fremden Katzenmelodie erfuhren wir nicht, denn das ist ein Geheimnis und ausschließlich für Katzenohren bestimmt.
Blacky war keine Werbeschönheit. Er hatte O-Beine, sein linkes Ohr war standesgemäß eingekerbt, sein dicker Katerkopf war mit unzähligen Narben übersät, aber er hatte wunderschöne, gelbgrüne Augen. Also doch ein Schönheit! Ich habe noch nie eine häßliche Katze gesehen.
Unser schwarzer Zigeuner war also ein echter Haudegen und unwiderstehlicher Charmeur. Ein bißchen wie Glark Gable eben. Er konnte zurückhaltend und pünktlich sein, Tugenden, die bei Kater eher selten sind. Ich habe ihn wegen alledem gemocht.

Der Frühling kam, wurde stärker und freundete sich mit dem Sommer an.
Blacky wurde Teil unseres kleinen Ganzen. Geduldig wartete er jeden Morgen auf sein Frühstück, markenunabhängig, aber reichlich und frisch. Oft wurde er dabei durch das Kellerfenster von meiner dreifarbigen Prinzessin angestarrt, das Interesse in ihren Augen war unzweifelhaft, und mir huschte dabei jedesmal ein Lächeln über mein Gesicht. Er verlor schnell die Scheu vor der Hand, die ihn fütterete und zeigte uns abends immer, was für ein nonchalanter Charmeur er war. Blacky freundete sich schnell mit unserem Hauswächter Baldus an, ein netter, getigerter Kerl von gleichem Wesen. Er gehörte bald so zu uns wie der Wacholder vor dem Haus. Wir hätten ihm gern mehr gegeben und ihn als dunklen Edelstein zu unseren anderen lebenden Kostbarkeiten hinzugefügt. Doch das wollte sein Piratenherz nicht und wir haben nicht mit ihm geschachert. Er war eben durch und durch ein Freiheitskämpfer, schlechtes Wetter konnte ihm nichts anhaben, oft genug habe ich sein nasses Fell gestreichelt.

Die Tage wurden kürzer und die Nächte kühler. Die Zeit der bunten Blätter kam. Unserem Baldus richteten wir ein warmes Winterquartier im Heizungskeller mit eigener Haustür ein, in der stillen Hoffnung, daß auch unser Schwarzer davon Gebrauch machen würde. Er tat es nicht, ich glaube, er hatte eine ausgeprägte Abneigung gegen geschlossene Räume, was uns sehr viel Kummer bereitete. Wir kannten ihn und er blieb dennoch ein Unbekannter für uns. Zumindest durften wir an seinen Tagen ein bißchen mitwirken.

Der graue, unfreundliche November zog wieder ins Land. Ich hasse diesen Monat noch mehr als viele andere Menschen, denn er hat uns in den letzten Jahren immer jemand genommen, den wir geliebt haben. Zuerst starb in diesem November ein geliebter Mensch und danach mußte unser Schwarzer folgen.

Es war ein tragischer Unfall, ausgerechnet in dem Haus, zu dem er so gern kam, mußte er sterben. Die Garage wurde zu seiner Todesfalle, er ist in einem gekippten Fenster qualvoll erstickt. Es war bitter für uns, denn wir glaubten das Fenster genügend gesichert. Blacky jedoch hat das Gitter in seinem unbändigen Freiheitsdrang einfach weggerissen. Unser Zigeuner hat in dieser Falle fürchterlich gelitten.

Wir haben unseren kleinen, schwarzen Freund in unserem Garten unter der Blautanne begraben. Ein schlichtes Grab für eine schlichte Schönheit. Es hat sehr weh getan.

Blacky ist nun im Land jenseits des Regenbogens. Er tollt mit Tinka, Streunerle, Teddy und all den anderen auf der unendlich großen Wiese mit den bunten Blumen und den vielen Schmetterlingen herum. Doch in der Nacht werden sie zu leuchtenden Sternen. Die neuen Sterne leuchten dabei eine lange Zeit besonders hell. Einer davon erinnert mich an einen leuchtend weißen Fleck auf einer pechschwarzen Brust.

Ganz bestimmt scheint dieser Stern auch auf ein Dorf in dem das Haus mit der blauen Mauer und der Ligusterhecke steht.


- Bernd Fremdt im Dezember 2000 -